Barotrauma und Dekompressionskrankheit beim Tauchen (2024)

Was sind Barotrauma und Dekompressionskrankheit?

Definition

Barotrauma und Dekompressionskrankheit sind Schäden, die beim Tauchen auftreten können. Sie werden dadurch hervorgerufen, dass sich der Umgebungsdruck verändert, der z. B. beim Tauchen in großer Tiefe auf den Körper einwirkt. Die Erkrankungen entstehen, wenn Druckunterschiede so schnell erfolgen, dass sie die Anpassungsfähigkeit des Körpers übersteigen.

Barotrauma

Barotrauma ist ein Sammelbegriff für alle Arten von physikalischen Schädigungen an Körpergeweben, die durch Druckunterschiede verursacht werden. Beispielsweise können Mittelohr, Nasennebenhöhlen, Lunge und Haut betroffen sein.

Dekompressionskrankheit

Die Dekompressionskrankheit ist eine schwere Komplikation beim Tauchen, bei der Gasblasen in den Organen und im Blut entstehen. Sie tritt auf, wenn Taucher*innen zu rasch aus großer Tiefe aufsteigen, d. h. wenn der Umgebungsdruck zu schnell abfällt.

Man unterteilt die Dekompressionskrankheit in drei Kategorien:

  • Typ I: milder Verlauf ohne neurologische Auswirkungen
  • Typ II: neurologische Folgen und/oder Auswirkungen auf Herz und Lunge
  • Typ III: Langzeitschäden; als Berufskrankheit anerkannt sind bisher die aseptische Knochennekrose (Absterben von Knochen bzw. einzelnen Abschnitten), Hörschädigungen, Netzhautschäden sowie neurologische Folgeschäden.

Symptome

Dekompressionskrankheit

Milder Verlauf
  • Häufig tiefe, pulsierende Schmerzen in den Gelenken (meist an Schulter, Ellbogen oder Rücken)
  • Verschlimmerung der Schmerzen insbesondere bei Bewegung
  • Juckreiz und/oder Hautausschlag
Schwerer Verlauf
  • Neurologische Symptome (z. B. Schwindel, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Hautkribbeln oder verminderte Berührungswahrnehmung)
  • Symptome der Lunge: brennende, unterhalb des Brustbeins angesiedelte Schmerzen beim Einatmen, Reizhusten, Atemnot
  • Hypovolämischer Schock (Schock aufgrund von Flüssigkeitsmangel, der sich auf das Blutvolumen auswirkt)
  • Schmerzen (bei ca. 30 % der Betroffenen)

Die Symptome der Dekompressionskrankheit treten entweder während des Tauchgangs oder unmittelbar bis wenige Tage danach auf. 50 % der Betroffenen zeigen bereits innerhalb von 1 Stunde erste Symptome; 95 % innerhalb von 6 Stunden nach dem Tauchen.

Barotrauma

Barotraumata können vielfältige Symptome nach sich ziehen, abhängig davon, welche Körperteile betroffen sind. Möglich sind beispielsweise:

  • Nebenhöhlen: Kopfschmerzen
  • Mittelohr/Innenohr: Ohrenschmerzen, Hörverlust, Tinnitus, Schwindel, Übelkeit, Gleichgewichtsstörungen

Arterielle Gasembolie

Bei Tauchgängen mit Druckluft kann es zudem zu einer arteriellen Gasembolie kommen, einer Komplikation der Dekompressionskrankheit. Das Risiko ist bei einem schnellen, unkontrollierten Aufstieg besonders hoch.

In der Regel treten die Symptome innerhalb von 10–20 Minuten nach dem Tauchgang auf. Dazu zählen:

  • Schwindel
  • Kopfschmerzen
  • ausgeprägte Unruhe/Angst

Der Zustand der Betroffenen kann sich sehr rasch verschlechtern und zu einem Schock, schweren neurologischen Symptome und letztendlich zum Tod führen.

Ursachen

Hintergrund

Alle 10 m steigt der Wasserdruck um 1 Atmosphäre (zum Vergleich: Auf Höhe des Meeresspiegels beträgt der Umgebungsdruck genau 1 Atmosphäre). Beim Hinabtauchen erhöht sich entsprechend auch der Druck in der Atemluft. Unter höheren Druckverhältnissen steigt die Löslichkeit von Gas. Das bedeutet, der Stickstoffanteil in der Atemluft wird im Blut und Gewebe gelöst und verteilt sich darin; der Sauerstoffanteil wird verbraucht. Insbesondere bei langen und/oder tiefen Tauchgängen werden große Mengen an Stickstoff im Körper gelöst. Wenn Taucher*innen zu rasch aufsteigen, kann der gelöste Stickstoff nicht schnell genug über das Blut zurück zur Lunge transportiert und wieder abgeatmet werden. Er nimmt seinen gasförmigen Zustand wieder an und bildet Blasen in Blut und Gewebe. Mögliche Folgen können Zellfunktionen, das Gerinnungssystem, die Lunge oder das zentrale Nervensystem betreffen.

Risikofaktoren

  • Lange und/oder tiefe bzw. wiederholte Tauchgänge, insbesondere in kaltem Wasser
  • Fehlender Sicherheitsstopp bzw. generelles Überschreiten der gültigen Tauchtabelle
  • Anstrengung
  • Flüssigkeitsmangel (Dehydrierung)
  • Flugreisen kurz nach dem Tauchgang
  • Offenes Foramen ovale (Öffnung zwischen den Vorhofkammern des Herzens)
  • Adipositas (denn Stickstoff ist fettlöslich)
  • Lungenerkrankungen, z. B. Asthma und Emphyseme (übermäßiges Luftvorkommen)
  • Pneumothorax (Ansammlung von Luft zwischen Lunge und Brustwand)
  • Einnahme von bestimmten Medikamenten, z. B. Antihistaminika

Zudem können Alter, Gewicht und die maximale Sauerstoffaufnahmekapazität der Lunge das Risiko beeinflussen.

In Verbindung mit tödlichen Tauchunfällen wird häufig Folgendes festgestellt:

  • fehlender Kontakt zwischen den Mittaucher*innen
  • Tieftauchen und Wracktauchen
  • unzureichender Auftrieb an der Oberfläche
  • fehlende Oberflächenbereitschaft der Crew

Häufigkeit

Die Häufigkeit für Drucklufterkrankungen liegt bei 1 pro 10.000 Tauchgängen für Sporttaucher*innen. Für Berufstaucher*innen sind es 10 Fälle pro 10.000 Tauchgängen. Zwischen 1993 und 2012 wurden in Deutschland 126 Fälle als Berufskrankheit anerkannt.

Untersuchungen

In der Hausarztpraxis

Wenn eine Taucherin/ein Taucher betroffen ist, sollten die Mittaucher*innen immer ebenfalls untersucht werden. Um den Zusammenhang mit dem Tauchen abzuklären, können Ihnen die Ärzt*innen folgende Fragen stellen:

  • Wieviel Zeit ist seit dem Tauchgang vergangen?
  • Tauchgang: Ort, Salzwasser, Frischwasser, Fluss, Höhe über dem Meeresspiegel?
  • Wurden eine Tauchtabelle oder ein Tauchcomputer verwendet?
  • Grundzeit, Tiefe und Tauchprofil (inkl. Aufstiegsgeschwindigkeit und Sicherheitsstopp)?
  • Gab es technische Probleme während des Tauchgangs?
  • In welcher Reihenfolge sind die Symptome aufgetreten?

Generell gilt, dass alle Symptome, die während oder unmittelbar nach dem Tauchen auftreten, zunächst mit dem Tauchen in Verbindung gebracht werden.

Um eine Taucherkrankheit oder ein Barotrauma festzustellen, können in der Arztpraxis folgende Untersuchungen vorgenommen werden:

  • Analyse der Sauerstoffsättigung im Blut
  • Elektrokardiogramm (EKG)

Bei Spezialist*innen

  • Röntgenaufnahme des Brustkorbs
  • Untersuchung des Säuren-Basen-Status
  • Blutgasanalyse: Messung von Sauerstoff und Kohlendioxid im Blut
  • Ggf. Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT) vom Schädel

Behandlung

Sofortmaßnahmen

  • Beatmung mittels Beatmungsschlauch (Intubation) oder Beatmungsgerät
  • Gabe von reinem Sauerstoff
  • Flüssigkeitsgabe

Sauerstoffbehandlung

Üblicherweise werden Dekompressionskrankheiten mit einer hyperbaren Sauerstofftherapie behandelt. Dabei erhalten Betroffene 100-prozentigen Sauerstoff in einer Umgebung mit erhöhtem Luftdruck, meist in einer sog. Druckkammer. Die Behandlung dauert in der Regel 2–5 Stunden; meist sind mehrere aufeinanderfolgende Behandlungen notwendig.

Medikamente

Für Dekompressionskrankheiten sind keine medikamentösen Therapien vorgesehen. Wenn allerdings ein Barotrauma des Mittelohrs oder der Nebenhöhlen vorliegt, können folgende Medikamente eingesetzt werden:

  • schleimhautabschwellende Sprays
  • Paracetamol oder entzündungshemmende Schmerzmittel
  • kurzzeitig bei schweren Symptomen: Prednisolon

Zudem kann bei Schmerzen eine Behandlung mit Paracetamol oder entzündungshemmenden Schmerzmitteln erfolgen.

Was können Sie selbst tun?

In jedem Fall ist es ratsam, vor dem Tauchen eine Tauchtauglichkeitsuntersuchung zu absolvieren. Diese wird von der Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin sowie der Gesellschaft für pädiatrische Sportmedizin empfohlen. Taucher*innen zwischen 16 und 39 Jahren sollten sich alle 3 Jahre auf Tauchtauglichkeit testen lassen; jüngere und ältere Taucher*innen jedes Jahr. Bestandteil der Untersuchung sind u. a.:

  • Anamnese (z. B. Fragen zur körperlichen Verfassung und Vorerkrankungen)
  • körperliche Untersuchung
  • Ruhe-EKG (ab 40 Jahren außerdem Belastungs-EKG)
  • Untersuchung der Lungenfunktion
  • bei Bedarf weitere Untersuchungen wie eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs und Laboruntersuchungen

Vorbeugung

Tauchschäden wie Barotrauma und Dekompressionskrankheit können Sie mit besonderer Umsicht beim Tauchen und der Tauchvorbereitung vorbeugen:

  • Tauchen Sie nicht allein.
  • Halten Sie sich an die gültige Tauchtabelle bzw. Dekompressionstabelle, oder verwenden Sie einen Tauchcomputer. Hier werden anhand von maximaler Tauchtiefe, Grundzeit und Restsättigung die Nullzeit (maximal mögliche Tauchzeit ohne Dekompressionspausen) und ggf. einzuhaltende Dekompressionsstopps errechnet.
  • Vermeiden Sie wiederholte Tauchgänge oder passen Sie ggf. die Tauchtabelle in Bezug auf Wiederholungen an.
  • Üben Sie besondere Vorsicht in kaltem Wasser.
  • Vermeiden Sie Überanstrengung und Dehydrierung.
  • Seien Sie bei hohem Lebensalter, Übergewicht oder niedriger maximaler Sauerstoffaufnahme besonders vorsichtig.
  • Unternehmen Sie unmittelbar nach dem Tauchen keine Flugreisen: Halten Sie nach kurzen, flachen Tauchgängen mindestens 12 Stunden Wartezeit ein; nach tiefen, langen oder wiederholten Tauchgängen mindestens 1–2 Tage.
  • Verzichten Sie auf Tauchgänge, wenn Sie an Lungenerkrankungen (z. B. Asthma) oder einem Lungenemphysem leiden.

Prognose

In den meisten Fällen hat die Dekompressionsbehandlung einen Rückgang der Symptome zur Folge. Allerdings können dennoch Beeinträchtigungen bestehen bleiben, z. B.:

  • Schmerzen
  • Müdigkeit
  • kognitive Beeinträchtigungen
  • Stimmungsschwankungen
  • Empfindungsstörungen der Haut (z. B. Kribbeln, Jucken, Kälte- oder Wärmegefühl)
  • verringerte Berührungsempfindlichkeit und asymmetrische Reflexe

Folgende Faktoren führen zu einer schlechteren Prognose:

  • ausgeprägte Symptome vor Behandlungsbeginn
  • verzögerter Therapiebeginn um mehr als 2 Wochen
  • Tauchgänge in Tiefen von mehr als 35 m
  • wiederholtes Tauchen an mehreren aufeinanderfolgenden Tagen

Im schlimmsten Fall können Taucherkrankungen zum Tode führen. Als häufigste Todesursache gilt Ertrinken, darüber hinaus kann es bei arteriellen Gasembolien und der Dekompressionskrankheit Typ II zu schweren Verletzungen und Todesfällen kommen.

Im Zuge der hyperbaren Sauerstofftherapie kann es zudem zu einigen Nebenwirkungen kommen, die aber meist von selbst wieder verschwinden:

  • vorübergehende Kurzsichtigkeit
  • epileptische Anfälle (in der Regel harmlos)
  • Symptome im Bereich von Luftröhre und Bronchien, z. B. Engegefühl in der Brust, Druckempfinden unterhalb des Brustbeins und Husten

Berufskrankheit

Wenn Barotrauma oder Dekompressionskrankheit wiederholt während der beruflichen Tätigkeit auftreten, können sie als Berufskrankheit anerkannt werden. Zuständig dafür ist die gesetzliche Unfallversicherung. Für die Anerkennung sind folgende Schritte erforderlich:

  • Meldung der Erkrankung an die Unfallversicherung mittels eines Meldebogens
  • Erstellung von Arbeits- und Gefährdungsanamnese sowie eines Gutachtens
  • unter Umständen Aufgabe der beruflichen Tauchtätigkeit

Nach der Anerkennung können Betroffene spezielle therapeutische Maßnahmen und, in schweren Fällen, eine Rente wegen Erwerbsminderung bekommen.

Weitere Informationen

  • Barotrauma und Dekompressionskrankheit– Informationen für ärztliches Personal

Autorin

  • Nina Herrmann, Wissenschaftsjournalistin, Flensburg
Barotrauma und Dekompressionskrankheit beim Tauchen (2024)

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Author: Laurine Ryan

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